Alte Bäume-Methusaleme-Habitatbäume
Altbäume, Methusaleme und Habitatbäume
Bäume sind die höchsten, größten und ältesten Lebewesen dieser Welt. Schon immer zeigten sich die Menschen von alten, starken Bäumen in ihrer Umgebung beeindruckt. Wir finden Sie in der Lyrik, in Bildern, in Märchen.
„Altbäume" werden üblicherweise anhand ihres Brusthöhendurchmesser (BHD) gemessen. Ein Baum mit einem entsprechenden Durchmesser von >60 cm wird als Altbaum bezeichnet. Studien besagen, dass solche Altbäume fast die Hälfte des oberirdischen Kohlenstoffs speichern (1).
In unserem Wald – wie auch in vielen anderen Regionen – finden wir nur noch wenige alte Bäume. Insbesondere die sogenannten „Methusaleme" sind kaum noch zu finden. Es handelt sich um Bäume die deutlich über der sogenannten „Erntereife" (ca. 80-130J) liegen. Sie verfügen über 100 cm BHD oder darüber.
Alte Bäume sind ein wesentlicher Bestandteil natürlicher Wälder und sind nicht nur wegen ihres immensen Kohlenstoffspeichers von Bedeutung. Im Laufe der Evolution hat sich eine sehr große Artengemeinschaft auf die Nutzung der Ressource Baum und Holz spezialisiert. In Mitteleuropa gibt es über 1300 Käferarten und rund 600 Großpilze, die auf diese Holzlebensräume angewiesen sind. Nicht nur Pilze und Tiere besiedeln Altbäume, sondern auch seltene Flechten- und Moosarten. Dabei wird die Vielfalt an Arten umso größer, je älter der Baum wird. Wenn der Altbaum abstirbt und schließlich umstürzt ist es wichtig, dass dann in der Nähe weitere nutzbare Altbäume vorhanden sind, da beispielsweise einige Käferarten nur geringe Distanzen zurücklegen können und somit auf die Vernetzung von Altbaum-Habitaten angewiesen sind. (2) Über „Habitatbäume" werden wir in einem gesonderten Newsletter eingehen.
Eine Buche kann ungestört und im schattigen Verbund stehend bis zu 300 Jahre alt und in einigen Fällen auch deutlich älter werden. Die älteste Buche die in Europa erst kürzlich beschrieben wurde, steht im Nationalpark Kalkalpen in Österreich und ist ca. 540 Jahre alt. Fichten können 300 Jahre und älter werden, Tannen 600 Jahre. Eichen und Linden 1000 Jahre und mehr. Der älteste Baum der Erde ist übrigens eine schwedische Fichte mit über 9500 Jahren.
„Altbäume" und „Methusaleme" sind für ökologische Leistungen des Waldes von hohem Nutzen und insbesondere zum langfristigen Schutz der Biodiversität von entscheidender Bedeutung.
Unser Vorschlag in Anlehnung an Waldschutzkonzepten (NABU/FSC/Naturland): Mindestens 10 Altbäume > 60 BHD bleiben pro Hektar in Neckargemünd bestehen. Auf den FFH-Arealen des Neckargemünder Waldes verbleiben mindestens 15 Bäume.
Auch Habitatbäume sind wichtig für Artenvielfalt und Biodiversität.
Der Fokus der Bewirtschaftung des Waldes liegt zumeist auf der Entwicklungs- und Optimalphase von Baumbestand und Wald, während die Zerfalls- und Pionierphasen eines Bestandes möglichst kurzgehalten bzw. komplett übersprungen werden. Aber gerade diese Phasen – wir hatten schon im vorherigen Newsletter zu den „Altbäumen" und „Methusalemen" darauf hingewiesen - sind von großer Bedeutung für die Wahrung und Unterstützung der Biodiversität in unseren Wäldern. Neben dem Schutz von Altbäumen und sehr alten Bäumen sollen daher „Habitatbäume" oder, besser noch, „Habitatbaumgruppen" gekennzeichnet werden. Sie verbleiben im Verbund bis zum Absterben um dann den Totholzvorrat im Wald zu bereichern. Was genau aber ist ein „Habitatbaum"?
Abb. 1. Ein Habitatbaum kann über unterschiedliche Baummikrohabitate verfügen, die für spezialisierte Arten Schutz-, Brut-, Überwinterungs- oder Nahrungsstätten bieten
Ein Habitatbaum (Abb 1) ist ein lebender Baum, der mindestens ein Mikrohabitat trägt. Der Begriff Mikrohabitat bezeichnet sehr kleinräumige oder speziell abgegrenzte Lebensräume. Baummikrohabitate (oft als Bmh abgekürzt) sind vom Baum getragene, klar abgegrenzte Gebilde, auf die viele verschiedene, teils hochspezialisierte Tier-, Pflanzen-, Flechten- und Pilzarten während mindestens eines Teils ihres Lebens angewiesen sind. Sie entstehen zum Beispiel durch eine Verletzung durch Steinschlag, Blitzeinschlag oder Aktivitäten von Spechten. Baummikrohabitate können auch Elemente sein, für die der Baum lediglich als Stütze dient, beispielsweise ein Nest, Efeu oder Lianen. Hier einige Beispiele:
- Bäume mit von Spechten angelegten oder durch das Ausfaulen von Ästen entstandenen Höhlen (Höhlenbäume); Bäume mit größeren Stammverletzungen, Stammfäulen, Mulmhöhlen, Pilzkonsolen, Blitzschäden, ausgebrochenen Zwieseln o.ä.;
- Bäume mit sich lösender Rinde oder Rindentaschen;
- Bäume mit viel Totholz in der Krone;
- Bäume mit Horsten (Horstbäume): Die Horste von Milan, Bussard, Habicht, Schwarzstorch und Kolkrabe werden als Großhorste bezeichnet. Sie werden oft über Jahre besiedelt und haben daher eine besondere Bedeutung als Fortpflanzungsstätte.
- Bäume mit starkem Moos-, Efeu- oder Flechtenbewuchs
- Bäume mit ungewöhnlicher Wuchsform, z.B. stark oder mehrfach gekrümmtem Stamm
Nachlesen können Sie die Ausführungen zu Habitatbäumen und Habitatbaumgruppen auch unter
https://www.fva-bw.de/fileadmin/publikationen/sonstiges/aut_konzept_2017.pdf (s.15f) und
Wie lange die Entwicklung von Baummikrohabitaten auf Habitatbäumen dauert, ist sehr unterschiedlich: von wenigen Millisekunden für die Entstehung einer Blitzrinne bis hin zu mehreren Jahrzehnten für die Ausbildung einer großen Mulmhöhle. Die Dauer, während der ein Baummikrohabitat für ein Lebewesen nutzbar ist, ist ebenfalls sehr unterschiedlich.
Habitatbäume zu kennzeichnen und im Wald zu belassen ist vielfach eine Anforderung von Zertifizierungen:
- FSC (Forest Stewart Council Zertifizierung): mind. 10 Habitatbäume / Hektar
- Naturland: mind. 10 Habitatbäume / Hektar
- Anforderung von bundesweiten Förderungen, z.B. „Klimaangepasstes Waldmanagement Plus": „Auf der Förderfläche sind durchschnittlich 10 Habitatbäume je Hektar vorzuhalten".
Weder im Forsteinrichtungswerk (FEW) Neckargemünd (2016-2025) noch im Zwischenbericht (FEW, 2021) werden Kennzeichnung oder Anzahl der Habitatbäume im kommunalen Wald Neckargemünd benannt. Im dem Wald der Nachbargemeinde Wiesenbach, für den eine Förderung des Bundes erfolgreich eingeworben wurde, wurden nun Habitatbäume ausgezeichnet. Man erkennt diese an einer weißen Wellenlinie um dem Stamm.
Unser Vorschlag für den Neckargemünder Wald: Es werden in den ersten beiden Jahren des neuen FEW (2027/2028) 10 Habitatbäume/ha oder auch Habitatbaumgruppen ausgezeichnet.
(1) Lutz, A. Fursniss, T.J., Johnson, D.J. (2018) Global importance of large-diameter trees. Open Access: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/geb.12747 (Zugriff 24.03.2025)
(2) TU Berlin, Altbäume als Lebensraum: https://naturschutz-und-denkmalpflege.projekte.tu-berlin.de/pages/leitfaden-biotopholz/altbaeume-als-lebensraum.php
(3) NABU GRundsatzuprogramm Wald (2023) https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/waelder/grundsatzprogramm.html (Zugriff: 19.05.2025)